Author: Rogelio Garcia, San Jose, Mendoza - Argentina
Date: Oct 21, 2003 04:25
Size: 701 x 1000
Type: jpg
User's short description: a post of a small bridge. AGFA OPTIMA iso100, 28mm, polarizer
die Macht der Perspektive ...
Mächtig und kraftvoll steht er da und strebt himmelwärts, scheinbar unverrückbar, aus Urzeiten stammend und für die Ewigkeit gemacht. Es werden Erinnerungen wach an die Steine von Stonehenge, den Koloss von Rhodos oder die Obelisken des alten Ägyptens.
Rogelio Garcia aus Argentinien beschreibt uns zu seiner Aufnahme, dass es sich bei dem von ihm abgelichteten Objekt um den Pfeiler einer kleinen Brücke handelt. Der Eindruck, den sein Bild vermittelt, ist aber ganz gegensätzlich. Der Pfeiler wirkt in seinem Foto geradezu riesig und in wörtlichem Sinne himmelhoch.
Wie hat er das geschafft, den Betrachter so in die Irre zu führen?
In erster Linie ist die Wirkung des Bildes zurückzuführen auf die vom Fotografen gewählte Perspektive, welche die eigentlich senkrechten Elemente in solch extrem „stürzenden” Linien wiedergibt. Die Kraft dieser starken Verjüngung noch oben wird noch unterstützt von der präzise zentralen Ausrichtung seines Blickwinkels. Der Fotograf befand sich mit seiner Kamera also genau in der Mitte der Brücke.
Die Wahl des Aufnahmestandpunkts mit der sich daraus ergebenden Perspektive würde alleine aber nicht ausreichen, diese kraftvolle Erscheinung des Objekts zu erzielen. Es gibt noch einen zusätzlichen Aspekt.
Ist jemandem aufgefallen, dass es außer dem Brückenpfeiler und dem Himmel, über den ich weiter unten noch eingehen werde, auf diesem Bild nichts anderes zu sehen gibt? Wir haben keinen Horizont und keine Landschaft.
Genau aber dies ist der entscheidende Punkt, denn genau dadurch fehlt uns die Möglichkeit, einen realen Größenbezug der Dinge herzustellen. Und weil wir eben nicht exakt realisieren können, wie relativ groß oder klein die abgebildeten Objekte in Wirklichkeit sind, kann uns die Perspektive der Aufnahme so stark beeindrucken. Da hat der Fotograf die Möglichkeiten der perspektivischen Darstellung sehr gekonnt dazu genutzt, seinem Bild einen überaus wirkungsvollen Eindruck zu verleihen.
Wie oben schon angedeutet, trägt auch die Wiedergabe des Himmels als Bildhintergrund dazu bei, den Brückenpfeiler in solch vermeintlicher riesigen Größe erscheinen zu lassen. Durch die große Schärfentiefe der Aufnahme wird auch die Wolkenstruktur des Himmels in allen Einzelheiten klar abgebildet, so schmilzt die optische Distanz zwischen Objekt und Hintergrund scheinbar auf ein Minimum zusammen. Wir vermeinen zu erkennen, dass die Spitzen des Pfeilers fast die Wolken berühren. Und obwohl wir in unserem Bewusstsein verankert haben, dass dem nicht so sein kann, sind wir gerne bereit, uns von der Überzeugungskraft unserer optischen Wahrnehmung täuschen zu lassen.
Die Aufnahme von Rogelio Garcia ist ein sehr gutes Beispiel dafür, in welch intensiver Weise auch ein fotografisches Bild in der Lage ist, die Darstellung der Wirklichkeit zu manipulieren, und das ohne jeden Ansatz von Retusche oder sonstiger nachträglicher Verfälschung, sondern lediglich durch das bewusste Ausnutzen optischer Gesetzmäßigkeiten und der Festlegung des Bildausschnitts. Ein Foto ist nun mal eine sehr subjektive Auswahl und Eingrenzung der Wirklichkeit: selbst wenn in nur einem Meter Abstand zum von der Aufnahme gezeigten Ausschnitt der Rest der Welt im Abgrund versinken würde, könnten wir das auf seinem Foto nicht erkennen.
Trackingnumber: tutor-002045
Author: Miguel Gil-Menz, Bergisch Gladbach, Deutschland
Date: Nov 10, 2003 18:21
Size: 600 x 423
Type: jpg
User's short description: Pentax MX mit F 35-80, Bl. 16 1/30
Wasserspiele ...
Jedenfalls für uns Bewohner der kälteren winterlichen Bereiche auf der nördlichen Erdhalbkugel gilt:
das ist für diese Jahreszeit vielleicht nicht so ganz das passende Motiv.
Aber dennoch, der Umgang mit dem Gegenlicht hat mein Interesse geweckt und das Motiv der Wasserfontänen erinnert mich lustvoll an die Wärme des Sommers.
Das Foto von Miguel Gil-Menz wird geprägt vom Alles beherrschenden Gegenlicht. Es ist verantwortlich für die gesamte Wirkung des Bildes in seiner Darstellung der Wasserfontänen mit ihren zarten Tropfenschleiern, dem Spiel von Licht und Schatten, der überstrahlenden Reflexionen und der silouettenhaften Wiedergabe der Objekte.
Es ist auffällig, dass der Fotograf den schwierigen Umgang mit der Belichtung bei Gegenlichtaufnahmen sehr ordentlich gemeistert hat. Die Lichter in den Reflexionen brennen nur an einigen wenigen Stellen aus, an denen es auch sinnvoll erscheint. Ansonsten aber ist die Durchzeichnung in den Mitteltönen sehr gut erhalten, was sich vor allem und sehr vorteilhaft bemerkbar macht in der prächtigen Wiedergabe des Bodenpflasters im Vordergrund.
Diese Beherrschung des Gegenlichtes stellt für viele Fotoliebhaber bestimmt eine schwierige Klippe dar, die sich nach einiger Übung aber einigermaßen sicher umschiffen lässt. Das einfachste Verfahren dazu wäre, von einer typischen Gegenlichtsituation ganz gezielt eine Belichtungsreihe anzufertigen, ausgehend von der gemessenen Belichtung in kleinen Stufen von 1/2 oder 1/3 Blende, jeweils bis hin zu 2-3 Blenden Über- beziehungsweise Unterbelichtung. Nach einigen Versuchen findet man dann schnell den für die verwendete Messmethode richtigen Korrekturwert. Und wenn man diesen Wert erst einmal für sich und seine Ausrüstung ermittelt hat, gibt es im Grunde genommen keinen realen Grund mehr, solchen fotografischen Situationen auszuweichen.
Als zusätzliche Komponente der Gestaltung hat der Autor seinem Bild eine Tonung in einer an ziemlich alte Fotos erinnernden, dem „Sepia” sehr nahekommenden Farbe auf den Weg gegeben. Zwar gibt das der Aufnahme einen eigenständigen Charakter, ich bin allerdings der Auffassung, dass die Bildwirkung dadurch nicht wesentlich und nicht unbedingt vorteilhaft unterstützt wird, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Eigentlich nämlich entspricht das Motiv in seinem Auftritt so gar nicht der Vorstellung, die wir von einem Bild in Sepiatonung erwarten. Das passt irgendwie nicht richtig zusammen und das hat die Aufnahme auch gar nicht nötig.
Sehr positiv dagegen empfinde ich die Darstellung des spielenden Kindes in der deutlichen Bewegungsunschärfe. Die ist exakt richtig dosiert: stark genug, um die Dynamik der Bewegung zu symbolisieren und die Details aufzulösen, aber nicht so übertrieben, dass die Form und Erkennbarkeit völlig verloren ginge.
Im Zusammenspiel mit dem in den Vordergrund fallenden Schatten des Kindes ergibt sich eine wundervolle Bildbeziehung, sozusagen die Darstellung von Welt und Gegenwelt. Für mich manifestiert sich hier sozusagen ein eigenes „Bild im Bild”, was mich dazu anregte, das hier vorgestellte Foto probeweise, wie im Beispiel dargestellt, rigoros zu beschneiden. Das soll jetzt aber kein Vorschlag für eine Korrektur sein, vielmehr habe ich einfach ein neues Bild im Motiv des Autors gefunden, das von der ursprünglichen Idee seiner Aufnahme weit entfernt ist.
Aber zurück zur Ausgangsbasis.
Gerade was den Ausschnitt anbetrifft, hat mein Empfinden das Bedürfnis nach einer Änderung. Im oberen Bereich des Bildes fehlt mir etwas, da wüsste ich doch gerne, wie es dort weitergeht. Und im unteren Bereich könnte ich durchaus auf etwas Raum verzichten, dort hätte ich das Bild knapp unterhalb des Kinderschattens beschnitten. Wenn oben genau so viel mehr auf dem Foto abgebildet wäre, wie ich unten reduzieren will, würde das außerdem die Gewichtung und Helligkeitsverteilung im Bild harmonisieren. So wie sich das Motiv jetzt darstellt, „klebt” es einfach etwas am oberen Bildrand.
Bitte missverstehen Sie mich nicht! Dieser Einwand soll die Aufnahme nicht übermäßig kritisieren, sie ist dadurch in keiner Weise als misslungen zu bezeichnen. Im Gegenteil, meine positive Bewertung der Arbeit überwiegt deutlich und meine (leise) Kritik soll nur dazu verhelfen, in Zukunft die Ergebnisse über das hier gezeigte hinaus noch weiter zu optimieren.