Author: Donna Devine, Delft, Netherlands
Date: Aug 02, 2003 13:11
Size: 640 x 643
Type: jpg
User's short description: This is a section of the Canadian War Memorial, on the site of the famous WW1 Battle of Vimy Ridge in Vimy, France.
Furchteinflößend ...
Kolossal... Ehrfurcht heischend ... Erdrückend ... Deprimierend ...
Es ist gar nicht so einfach, den richtigen Ausdruck zu finden für die Eindrücke, welche in mir beim Betrachten dieser Fotografie geweckt werden. Das Bild erscheint eigentümlich irreal und will sich doch beziehen auf die Erinnerung an die grausame Realität der Leiden und Gewalttaten des Krieges.
Die Aufnahme des Kriegerdenkmals von Donna Devine aus den Niederlanden wirkt auf mich in ihrem Auftreten sehr merkwürdig. Das Motiv der wuchtigen, steinernen Anlage erscheint dem Denken in unserer hochtechnisierten Zeit sehr fremd und wie ein Relikt aus einer fernen Epoche. Mir fällt sofort die Zwiespältigkeit auf, dass hier die Opfer des Krieges offensichtlich unter Verwendung der gleichen gestalterischen Mittel geehrt werden sollen, mit denen auch die Täter ihre Machtverherrlichung manifestiert hatten. Diese kraftstrotzende, schier menschenverachtende Architektur, dieser unglückselige und wenig angebrachte Pathos der Skulpturen, das ließe sich so auch in den stilistischen Verirrungen der faschistischen Bauten in Nürnberg wiederfinden. Dass man an diese Thematik auch ganz anders und ehrlicher herangehen kann, hat Pablo Picasso mit dem Aufschrei der geschundenen Kreatur in seinem Bild „Guernica” bewiesen.
Offensichtlich hat sich die Fotografin von der martialischen Erscheinung des Motivs vereinnehmen lassen. Die tiefe Perspektive Ihrer Aufnahme lässt die Linien des steinernen Klotzes noch steiler himmelwärts aufragen und verleiht ihm noch gewaltigeren Eindruck. Fast scheint es so, dass sie vor dem Bauwerk einen Kniefall vollführt. Nicht sie hat die Initiative bei der Anfertigung dieser Abbildung übernommen, sondern sich dem machtvollen Auftreten des Objekts hingegeben.
Geradezu als Höhepunkt dieses Vorgangs hat sie ihrem Bild jenen dramatischen, geradezu blutigen Himmel verpasst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Himmel nachträglich in das Bild eingearbeitet wurde. Sollte ich mich in diesem Punkte irren und der Himmel beim Zeitpunkt der Aufnahme tatsächlich in solcher Erscheinung existiert haben, so ändert das eigentlich nichts an meinem Credo: auf diese Weise darf man ein solches Thema einfach nicht fotografieren.
Es ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für bildnerisches Schaffen, dass der Bildermacher sich der ethischen Verantwortung bewusst wird, die er mit seiner Arbeit übernimmt, und dass er dieser Verantwortung entsprechend handelt. Die Liste der Beispiele von Künstlern ist lang, die genau am Erkennen dieser Verantwortung gescheitert sind und sich — verführt von den Schmeicheleien der Mächtigen — mit ihrem Talent den falschen Ideologien zur Verfügung gestellt haben.
Ich möchte der Autorin dieses Bildes auf gar keinen Fall irgendwelche solche Nachlässigkeit oder Gedankenlosigkeit unterstellen, es besteht aber durchaus die Gefahr, dass ihr Foto diese Wirkung hervorruft.
Per Nachbearbeitung habe ich versucht, der Aufnahme etwas von dieser Brisanz zu nehmen und vor allem den Blick des Betrachters stärker auf die das Leiden symbolisierende Figurengruppe zu konzentrieren.
In erster Maßnahme legte ich mittels des Photoshop®-Filters „Beleuchtungseffekte” und einer Korrektur der Gradationskurve einen deutlichen Akzent auf die Skulptur der Menschengruppe. Darüber hinaus musste ich dringend den blutigen Himmel mildern. Dies konnte ich über die Bildeinstellung „Selektive Farbkorrektur” erreichen. Dort habe ich die Rottöne ein wenig nach Cyan und deutlich nach Schwarz verschoben, sowie zusätzlich die Grautöne ebenfalls leicht nach Cyan, um auch die Mauern des Bauwerks etwas von der Blutigkeit des Himmels zu befreien.
Ich bin ziemlich sicher, dass es möglich ist, das von mir erzielte Ergebnis mit zusätzlichem Aufwand über das erreichte Maß hinaus weiter zu optimieren. Für mich ist es aber jetzt auf einem Status, mit dem ich leben könnte.
Generell aber stellt sich die Frage, wie legitim der Versuch eigentlich ist, die Aussage einer Fotografie durch Manipulationen zu verändern. Schließlich müssen wir davon ausgehen, dass mit dem Schaffen eines Bildes auch ein bestimmter Wille verbunden ist, mag der uns gefallen oder nicht. Also, was ist zu tun? Soll ich auch weiterhin die Auseinandersetzung suchen und mich bemühen, Wege (und Irrwege) aufzuzeigen, oder soll ich Fotos mit strittigen Themen zukünftig einfach ignorieren und gar nicht erst zur Besprechung bringen?
Ich würde es als Erfolg betrachten, wenn Sie als Fazit aus meinen Zeilen das Wissen darum mitnehmen könnten, wie wichtig es für Ihr fotografisches Schaffen ist, sich nicht vorbehaltlos und unreflektiert vom Objekt Ihrer fotografischen Begierde beeindrucken zu lassen, sondern sich stets auf Ihr eigenes Denken, Ihren eigenen Stil und Ihre eigenen Wertvorstellungen zu beziehen.
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Author: Nitin Bhople, Al Wahda, Sharjah, United Arab Emirates
Date: Aug 11, 2003 21:49
Size: 1582 x 2989
Type: jpg
User's short description: Got an idea while sitting at a table & watching a Glass partially filled with a chair in the back ground. A colored glass then used to get better reflection on the surface & filling the Glass up to the brim so as to get perfect deformated view of the chair back.
Arabisches Design ?
Ist es nun arabisches ornamentales Stilempfinden, das diesem Bild seinen Charme und seine absolute Ruhe verleiht? Oder ist es der westliche, klassisch europäische Einfluss, der hier seinen Ausdruck findet? Wahrscheinlich führt beides in exemplarischem Zusammenklang gemeinsam dazu, dass wir hier ein Foto finden, welches in seiner Idee, seiner Klarheit und seiner Gestaltungskraft ziemlich solitär auftritt.
Nitin Bhople aus den Arabischen Emiraten schickt uns diese beieindruckende fotografische Aufnahme, verbunden mit einigen kurzen Anmerkungen, die auf den ersten Blick eher nebensächlich erscheinen, uns in Wahrheit aber auf ganz grundlegende Elemente des bildnerischen Schaffens zurückführen.
Beim ersten Anblick seines Fotos setzt mir fast der Herzschlag aus, ich vergesse zu atmen, ich bin völlig begeistert!
Das ist eine richtig gute Aufnahme. Aber nein, natürlich ist dies nicht das „non plus ultra” der Fotografie, es ist nicht das Foto des Jahrhunderts, der Grund für meine Begeisterung liegt ganz woanders.
Wenn ich dieses Bild betrachte, glaube ich ganz genau zu spüren, welche Gefühle sich dem Autor beim Arrangieren seiner Aufnahme entwickelt haben, welche Wege seine Gedanken gegangen sind, was seinen Entschluss initiiert hat, sich überhaupt mit diesem Bild zu beschäftigen. In dieser Hinsicht fühle ich mich dem Fotografen merkwürdig verwandt: salam, brother in mind!
Versuchen wir, sein Bild zu analysieren:
Auffällig ist die totale Harmonie. Diese Harmonie zu erreichen, hat der Fotograf alle Mittel angewandt, die zur Verfügung stehen, angefangen von der Teilung des Bildes im absoluten „goldenen Schnitt” über die perfekte Verteilung der Grautöne vom hellen Weiß sanft verlaufend bis ins tiefe Schwarz. Die formalen Elemente sind durch die Reflexion auf der Tischplatte in sich vollkommen geschlossen, dadurch wird die dominante Betonung der senkrechten Linien ohne jeden Bruch aufgefangen. Das Bild erscheint völlig klar und in sich geschlossen, und versteht sich dennoch mit Andeutungen: die ins Dunkel des unteren Bildteiles verlaufende Spiegelung des Glases muss vom Betrachter selbst erarbeitet werden.
Die Wiedergabe als Schwarz/Weiß-Foto reduziert das Ganze sehr geschickt auf die formalen Qualitäten der Dinge. Es gibt absolut nichts, was den Blick des Betrachters ablenken könnte.
Trotz seiner eindeutigen und dinglichen Darstellung aber handelt es sich in Wirklichkeit um ein abstraktes Bild. Es hat uns eigentlich nur wenig zu sagen über die Eigenschaften der abgebildeten Gegenstände. Vielmehr will es uns aber ganz gezielt und intensiv verweisen auf den Gedankenprozess, welcher zum Akt der Bildschöpfung führte.
In Abwandlung der philosophischen Erkenntnis „ich denke, also bin ich” ruft uns dieses Bild entgegen: „ich wurde gedacht, also bin ich”!
Hier müssen wir uns an den Kommentar des Fotografen zu seiner Aufnahme erinnern. Das Wichtigste steht dort gleich am Anfang: „Got an idea while sitting at a table & watching a Glass”.
Genau das ist es, was den Grund für die Qualität von Nitin Bhople's Aufnahme ausmacht. Es ist entstanden durch Beabachten und Denken. Es ist nicht Abbild des Glases und des Stuhls, es ist Abbild des Denkens, der Fähigkeit des Menschen, sich zu abstrahieren, in Relation zu setzen zu seiner Umwelt und sich selbst darin zu spiegeln.
Um das zu erreichen, muss der Fotograf alle Dinge und alle auf ihn einströmenden Eindrücke hinterfragen, und das macht er durch BEOBACHTEN, also bewusstes Beachten.