Author: Ali Ozdulger, Mersin, Turkey
Date: Aug 04, 2003 15:24
Size: 1738 x 1153
Type: jpg
User's short description: Old traditional turkish home. It is dark and cool inside even it is very bright and hot outside.
Es hätte so schön sein können:
eigentlich ist das doch ein schönes Motiv - mit einer interessanten und stimmungsvollen Atmosphäre. Warum daraus aber leider dann doch kein richtig gutes Bild geworden ist, dem versuche ich hier auf die Spur zu kommen.
Auffällig an der Einsendung von Ali Ozdulger ist die außerordentlich große Lücke, die zwischen der als durchaus positiv einzuschätzenden Motivwahl und Bildauffassung einerseits und der mangelnden technischen Ausführung dieser Fotografie andererseits klafft.
Der Autor hat einen guten Ansatz gefunden für seine Intention, uns das Innere eines traditionellen Hauses in der Türkei zu zeigen. Die von ihm gewählte streng zentrale Raumperspektive gibt der Szenerie eine ruhige Ausstrahlung und eine gewisse Würde, ohne dem Bild allzu enge Fesseln anzulegen oder gar Langeweile aufkommen zu lassen. Dazu verhilft auch die Asymmetrie der Raumdekoration und der im Bildmotiv angeordneten Personen. Zwar sind die abgebildeten Menschen durch die Verteilung an den Fenstern jeweils für sich isoliert und scheinen nichts miteinander zu tun zu haben, aber natürlich verbindet sie der gemeinsame Aufenthalt im gleichen Raum und genauso auch die gleiche Muße des „aus dem Fenster Schauen”.
Durch die Reduzierung der Beleuchtung auf das starke Gegenlicht der drei Fenster ergibt sich eine eigenartige Raumwirkung und eine merkwürdig intensive Stimmung der Szenerie. Man bekommt ganz unwillkürlich den Drang, etwas erfahren zu wollen von den Dingen, welche sich da draußen vor den Fenstern abspielen. Es wird also Spannung im Bild aufgebaut, obwohl es wegen seiner Linienführung so scheint, als sei es ganz auf Ruhe hin ausgelegt.
Bis hierhin ist alles eitel Sonnenschein. Nun stellt sich für mich aber die Frage:
„Wie ist es möglich, dass ein Fotograf, der den Wert eines solchen Motives zu erkennen vermag und ihm ja auch eine gestalterische Lösung abringen kann, wie also kann dieser eine technisch so mangelhafte Aufnahme zustande bringen?”
Ich fange mal mit dem an, was als Erstes ins Auge springt: es ist das Kippen des Bildes.
Kann mir irgendjemand erklären, warum man die Kamera bei der Aufnahme so schief halten muss?
Es hat ja manchmal durchaus Reiz und auch Berechtigung, ein „schiefes” Bild zu produzieren, aber doch nur dann, wenn es dafür ein gestalterisch motiviertes Argument gibt. Bei der hier vorgestellten Aufnahme jedoch wird dadurch die Wirkung der ruhigen Gestaltung in ihrer zentralen Perspektive nahezu vollständig eliminiert. Vielleicht ist das nur ein zufälliger Fehler, dann hätte man aber das Foto durch Drehen und Beschnitt vor dem Einsenden aufarbeiten müssen. Ich verzichte dieses Mal ausdrücklich darauf, die Fehler dieser Aufnahme in der Bildbearbeitung beispielhaft zu korrigieren. Mit dem Geradesetzen hätte ich hier schon ein größeres Problem, weil ganz wichtige Bildelemente, wie die Vorhangbordüre über den Fenstern und die seitlich an der Wand hängenden Bilder, stark beschnitten werden müssten und dann viel von ihrem Reiz verlieren würden.
Als nächster Mangel fällt mir auf, dass die Aufnahme seltsam blass in den Farben wirkt, flau in den Kontrasten und ziemlich grobkörnig. Es könnte sein, dass der Fotograf sich ganz vehement in der Belichtung geirrt hatte und eine totel unterbelichtete Aufnahme erhielt, aus der dann das Labor noch einen einigermaßen erkennbaren Print gezaubert hat. Vielleicht wurde diese Unterbelichtung von ihm in Kauf genommen, weil er wegen der Verwacklungsgefahr keine längere Belichtungszeit verwenden wollte. Dieser Gefahr hätte er mit der Verwendung eines Stativs begegnen können und er hätte darüber hinaus noch den kleinen Nebeneffekt eingefahren, die horizontale Stellung der Kamera besser kontrollieren zu können. Die Belichtung sollte in unserem Fall so gewählt werden, dass der Vordergrund und die Personen eine gute Durchzeichnung aufweisen, aber nicht zu hell erscheinen. Der Gegenlicht-Charakter muss auf jeden Fall erhalten bleiben. Die Fenster dürften dabei gerne noch etwas mehr überstrahlen. Das würde die gesamte Stimmung noch weiter unterstützen.
Der letzte Punkt: Wo ist eigentlich die Schärfe?
Ich jedenfalls finde im Bild nirgends einen eindeutig scharfen Bereich. Also vermute ich, dass der Autor wohl lediglich über eine qualititiv eher geringwertige Kamera verfügt.
Das ist aber schade.
Ich glaube, eine bessere Kamera könnte ihm zu entsprechend besseren Bildern verhelfen. Die Fähigkeit, Motive für solche Bilder zu entdecken und gestalterisch zu empfinden, hat er ja schon bewiesen.
Trackingnumber: tutor-001880
Author: Robert Kalb, Wien, Austria
Date: Aug 27, 2003 21:30
Size: 539 x 369
Type: jpg
User's short description: Fernsteinsee in Tirol - ein wahres Paradies für die Erholung. Auch am frühen Morgen mit dem Nofoflex 5,6/400 mm fotografiert. Bild wurde nicht gestellt!
Deutsche Romantik ?
Eine Erinnerung an das 19.Jahrhundert, an die Gemälde der romantischen Maler, an die Renaissance von Märchen und Sagen, die Wiederbelebung von Riesen, Gnomen und Feen.
Solche Gedanken bewegen mich beim Betrachten der von Robert Kalb aus Wien präsentierten Fotoaufnahme. Sie vermittelt mir eine eigentümlich wehmütige, mystisch nostalgische Stimmung. Ganz unwillkürlich spielen sich in meinem Kopf Szenen aus längst vergessenen Geschichten ab, die ich in meiner Jugendzeit in alten, verstaubten und vergilbten Büchern gelesenen hatte. Szenen von einem uralten Fährmann mit wehendem Bart und schneeweißen Haaren, der seinen schweren, schwarzen Nachen in ewigem Rythmus mit dem Ruder durch den unheimlichen Nebel quer über den tiefdunklen See stößt und trotz lebenslangem Abrackerns niemals an das andere Ufer gelangt.
Dabei handelt es sich natürlich im Grunde genommen um rein persönlich begründete Empfindungen. Die Tatsache aber, dass ich in Zusammenhang mit dem Foto von Robert Kalb überhaupt auf solche Gedanken komme, gibt einen deutlichen Hinweis auf dessen Qualität.
Ein Kriterium dieser Qualität ist die große Ausdruckskraft des Motivs, ein anderes die perfekte Harmonie der Bildaufteilung und ein weiteres die wunderbare Lichtstimmung. Das Ganze ist eingebunden in scheinbar spielerische Beherrschung der fotografischen Technik.
Der Fotograf hat das Versprechen dieser schönen Landschaft auf ein gutes Foto dankbar angenommen. Zu eindeutig war dieses Angebot. Die absolut glatte Oberfläche des Sees sorgt einerseits für eine perfekte Reflexion der Insel mit ihren Bäumen und des Bootes mit den Ruderern, andererseits ermöglicht sie aber auch an manchen Stellen den Einblick in die Tiefen des Wassers bis auf den Grund. Der Morgennebel, der aus dem Hintergrund der rechten Bildhälfte in das Motiv eindringt, verleiht der Szenerie jene vage Mystik einer Traumwelt, die mich beim ersten Betrachten des Fotos so faszinierte.
Natürlich muss man die Qualität eines solchen Motivs aber trotzdem erst einmal erkennen — es gibt genug Menschen, die daran völlig unbeeindruckt vorbeigehen können — und man muss natürlich auch so früh am Tag vor Ort sein. Dafür, dass er dieses geleistet hat, meinen Dank an Robert Kalb.
Ich kann mich im übrigen des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass die seltsam mystische Ausstrahlung dieses Bildes auch Ausdruck jenes Weltschmerzes ist und jener Melancholie, welche man in grobem Vorurteil allen Wienern nachsagt. Ich entschuldige mich jetzt gleich prophylaktisch für diese Plattitüde, aber meistens steckt in solchen Charakterisierungen doch auch etwas Realität.
Der Fotograf hat aber sein Motiv nicht nur gut erkannt und angenommen, er hat es auch hervorragend umgesetzt. Die Positionierung des „Horizonts” im unteren Drittel führt zu einer Konzentration des Blickes auf diesen Bereich und verleiht dem Bild eine intensive Ruhe und Kraft. Dadurch kann der Waldhang auf der anderen Seite des Sees sich wie eine drohende Wand aufrichten — dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die Entscheidung des Fotografen für eine extrem lange Brennweite, welche die räumlichen Proportionen scheinbar komprimiert.
Auch mit der Lichtsituation hat Robert Kalb das verdiente Glück des Frühaufstehers gehabt. Der flache Lichteinfall von rechts durch oder über den Nebel trifft genau auf die wichtigen Dinge des Bildmotivs, das Boot und die Insel. Die weitere Umgebung, vor allem aber die Bergflanke im Hintergrund, bleibt im Dunkeln und Ungewissen.
Und über die Technik brauchen wir eigentlich nicht viel Worte verlieren, da gibt es nichts auszusetzen.
Insgesamt kann man zusammenfassen:
Robert Kalb war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hat dort das Richtige getan.
Bravo!