Author: Stefan Hauer, Neulengbach, Österreich
Date: Apr 20, 2003 12:15
Size: 1280 x 960
Type: jpg
User's short description: Porträt einer Ringelhandgarnele, im bepflanzten Aquarium
Ein Monster sieht mich an ...
Na ja, ganz so schlimm ist es ja wohl nicht., obwohl die Krabbe aus dieser nahen Perspektive doch recht bedrohlich wirkt. Aber das beweist uns wieder einmal, wie fremd eigentlich kleine Dinge wirken, wenn wir ihnen mit der Kamera so ganz nah auf den Pelz rücken.
Liebhaber der Aquaristik versuchen immer wieder, das Leben in ihrem Aquarium fotografisch zu dokumentieren, je nach vorhandener fotografischer Ausrüstung und erworbenen Fähigkeiten mit mehr oder weniger Erfolg.
Bei dem hier von Stefan Hauer präsentierten Foto bin ich mir etwas unsicher, ob ich es als gelungen oder als nicht gelungen einstufen soll. Einerseits empfinde ich sein Motiv als ausgesprochen reizvoll, auch seine Bildauffassung und die gewählte Perspektive, die starke Konzentration auf das Wesentliche und die dem Bild anhaftende Stimmung. Andererseits gibt es in diesem Foto aber auch eine Reihe von Dingen, die mich erheblich stören. Ganz vorne unter diesen Störungen stehen für mich der merkwürdig flaue Kontrast und die sich über das ganze Motiv ausbreitende diffuse Unschärfe. Beide Erscheinungen können unter Umständen die gleiche Ursache haben: die gläserne Wand des Aquariums. Bei diesem Glas handelt es sich natürlich nicht um solches von hoher optischer Qualität; je nach Größe des Beckens hat es außerdem eine nicht unbeträchliche Dicke, was die ungestörte Durchlässigkeit von Lichtstrahlen weiter mindert. Zusätzlich spielt auch der Zustand des im Aquarium enthaltenen Wassers eine Rolle. Befinden sich darin große Mengen an Schwebstoffen oder ist es stark mit Algen versetzt, werden die Möglichkeiten immer geringer, ein klares und mit ordentlichen Kontrastverhältnissen versehenes Bild zu erreichen.
Zusätzlich taucht beim Fotografieren durch eine Glasscheibe das Problem der direkten oder diffusen Reflexion des Umgebungslichts auf, auch wenn man sich bemüht, dieses Umgebungslicht so weit wie möglich zu dimmen oder mittels der Belichtung zu unterdrücken. Hier hilft aber eine ganz simple Konstruktion, die in ihrer Funktion praktisch einer Taucherbrille entspricht und die völlig problemlos, schnell und mit geringen Mitteln selbst hergestellt werden kann:
Zuerst ermittelt man durch probeweises Einstellen des gewünschten Bildausschnitts den notwendigen Abstand der Kamera zur Scheibe des Aquariums. Aus schwarzer Pappe, z.Bsp. einem Bogen Fotokarton, bildet man einen an der Spitze offenen Kegel.
Die runde Öffnung an der Spitze soll dabei exakt dem Außendurchmesser des verwendeten Objektivs entsprechen, so dass dieses von außen in den Kegel bündig eingeführt werden kann. Dann wird dieser Kegel an der Glasfläche des Aquariums befestigt, am besten klebt man ihn rundum mit schwarzem „Gaffer-Tape”. Das ist ein breites Textilklebeband mit hoher Klebekraft, welches sich aber von glatten Flächen leicht und rückstandsfrei wieder entfernen lässt und das eigentlich in jedem einigermaßen gut sortierten Baumarkt zu haben sein müsste. Mit diesem Klebeband erreicht man einerseits eine gute Haftung des Kegels an der Scheibe und dichtet andererseits die Kante des Kartons zuverlässig gegen seitlich eindringendes Licht ab.
Zum besseren Verständnis des Apparates füge ich eine kleine Zeichnung bei. Aber bitte bedenken Sie: ich bin kein Konstruktionszeichner, meine Skizze ist also eher laienhaft.
Es gibt noch einen weiteren Punkt, der mich ziemlich stört im Foto von Stefan Hauer, das sind die im Hintergrund deutlich erkennbaren Teile der technischen Ausstattung des Aquariums aus hässlichem grünen Plastik. Damit wird leider die Illusion vom „wildlife” hammerhart vernichtet. Mir ist völlig bewusst, dass man einer Krabbe nicht unbedingt sagen kann, sie möge doch bitte einen anderen Platz einnehmen. Vielleicht aber hätte etwas Geduld gereicht, ewig wird dieses Tier nun auch nicht immer an der gleichen Position hocken. Alternativ hätte der Fotograf auch einfach die Plastikteile selbst für die Dauer seiner Aufnahmen entfernen oder anderer Stelle im Becken plazieren können.
Aber zurück zu den positiven Seiten des Bildes. Sehr schön ist die Stellung der Krabbe im Bildraum. Das Aufrichten des Körpers in Verbindung mit den bogenförmigen Linien der weit in den Vordergrund ragenden Scheren vermittelt einen Hauch von Aggressivität und Bedrohlichkeit. Und ausgesprochen schön ist auch die Lichtstimmung, die ihren Höhepunkt findet in der als direktes Gegenlicht im Hintergund gesetzten Lichtquelle, genau im Zentrum des Bildes. So etwas kann zwar oft und ganz schnell fürchterlich aufgesetzt wirken, hier allerdings ist es durchaus sinnvoll und trägt wesentlich zur Stimmung des Bildes bei.
Also doch ein gutes Foto? Wenn ich von den wenigen technischen Mängeln und vor allem von diesem blöden grünen Plastikteil absehe : ganz sicher !
Trackingnumber: tutor-001593
Author: Sherry Liu, Hillsborough, NJ USA
Date: May 19, 2003 01:57
Size: 500 x 375
Type: jpg
User's short description: a still life photo that is a reflection of my mom
In der griechischen Mythologie gab es Janus, den Gott mit den zwei Gesichtern. Das überlieferte Zeichen für die Theaterkunst waren die zwei klassischen Masken, eine weinende und eine lachende.
So ähnlich kommt mir dieses Foto von Sherry Liu vor.
Ihre Arbeit zeigt uns nämlich ebenso zwei gegensätzliche Gesichter.
Erst mal die erfreuliche Seite:
Das Bild zeichnet sich aus durch eine stringente, konsequent durchgehaltene Gestaltunglinie. Alles ist an seinem Platz, alle Linien führen zu einer harmonischen und ausgeglichenen Erscheinung. Die Teilung des Raums in horizonaler Ebene durch die Tischkante ist ebenso wie die in vertikaler Ebene mittels der Flasche im richtigen Maß getroffen. Die Vertikale wird unterstützt durch die Fensterstreben und die links an die Flasche anschließende dunkle Wand, die Horizontale durch das Geländer des Balkons. Die Bäume im Hintergrund bleiben in ihrer Unschärfe ausreichend diffus, um nicht das Bild zu stark zu bestimmen und die dunkle Form rechts auf dem Tisch fängt das Format nach außen ab. Das ist schon ziemlich perfekt.
Eine kleine Störung erfährt das Foto lediglich durch den Griff am Fenster (oder was kann das sonst sein?), der durch seine unmittelbare Nähe zum Flaschenrand deren Form beeinträchtigt. Dies bedeutet allerdings keinen wirklichen Beinbruch, denn das kann man ganz einfach in der Bildbearbeitung beseitigen, wie auf meiner Korrektur geschehen.
Die Reduzierung der Farbigkeit auf das Hauptmotiv, der Flaschendurchsicht, erreicht durch die Umwandlung des Umfeldes in den Schwarz/Weiß-Modus, wirkt eigentlich schlüssig. Ob sie allerdings zur Optimierung des Bildes wirklich notwendig war, kann ich ohne Kenntnis der ursprünglichen Ausgangsbasis nicht beurteilen. Auf jeden Fall aber will ich dieser Technik in der präsentierten Form nichts negatives zusprechen, auch wenn wir ähnliches bereits beim Bild von Michael Moser gesehen haben, welches ich Anfang April im PhotoTutor besprochen habe. Aber das mag durchaus eine zufällige Wiederholung sein.
Nun aber die weniger positive Seite:
So zustimmend die gestalterische Qualität dieser Fotografie zu beurteilen ist, so sehr vermisse ich aber adäquate Eigenschaften in der Bildaussage, im Inhalt. Das sieht für mich alles recht banal und belanglos aus. Da passiert nichts, was mich wirklich zum Eindringen in das Bild anregt. Die in der Durchsicht der Flasche erkennbare Frau hat keinen echten Bezug zum Rest des Bildes, es wirkt alles reichlich an den Haaren herbeigezogen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Abbildung im Innern der Flasche völlig diffus und daher schlecht erkennbar bleibt.
Vielleicht wäre es in diesem Fall sogar besser gewesen, die Schärfe des Bildes genau gegensätzlich zu verteilen, also sie auf die Person im Durchblick zu legen und den Rest, also sowohl die Flasche wie auch das Umfeld, in Unschärfe zu belassen. Es könnte sein, dass durch die dann andersgelagerte Gewichtung der Bildelemente ein konketer Sinn besser deutlich geworden wäre und die Bildaussage an Kraft gewonnen hätte.
So aber stellt sich für uns lediglich die Frage: warum hat der Fotograf dieses Foto eigentlich gemacht, was war sein Motiv?
Als Fazit bleibt, dass in der Diskrepanz zwischen hohem gestalterischen Anspruch einerseits und wenig aussagekräftigem Bildinhalt andererseits lediglich ein mittelmäßiges Foto entstehen konnte.