Author: Thomas Miskiewicz, München, Germany
Date: Jan 21, 2005 21:24
Size: 800 x 508
Type: jpg
User's short description: Das Bild entstand Anfang Januar 2005 auf dem Madison Ave in New York. Das Bild wurde so gemacht, wie es zu sehen ist. Es ist nicht gedreht, es ist ein Bild, es wurde nicht verfremdet. So gesehen und so fotografiert.
Die Welt steht auf dem Kopf ...
Ist das wirklich reine Architekturfotografie, oder ist das freie künstlerische Arbeit? Auf jeden Fall versteht das Bild, uns großartig zu verwirren und in Unsicherheit zu versetzen.
Die Aufnahme von Thomas Miskiewicz aus München erschließt sich mir in ihrem fremdartigen Blickwinkel und den das Bild dominierenden eigenartigen Reflexionen nur sehr schwer. Ich muss mich doch ungewöhnlich intensiv in die Betrachtung vertiefen, um dem Motiv und dessen Bedeutung auf die Spur zu kommen, zumal die dürre Spitze des kahlen Baumes als einziges völlig konkret und klar im Raum stehendes Detail doch einen Fremdkörper darstellt im Arrangement der kantigen, glatten und spiegelnden Flächen der Architektur. Reduziert auf die rein formalen Aspekte einer Beurteilung muss dieses Fremdkörperhafte aber nicht automatisch und unbedingt etwas Negatives an sich haben. Ein solcher Gegensatz in der Form kann sich durchaus zu einem wichtigen Gestaltungsmittel entwickeln. Ob allerdings das kahle und eher kärglich erscheinende Bäumchen thematisch wirklich in die Szenerie der fragmentarisch dargestellten Architektur passt, bleibt doch zu hinterfragen.
Das dominante Gestaltungselement dieser Aufnahme ist ohne Zweifel die strenge Aufteilung des Bildes in glattflächige geometrische Formen. Die gegenseitig geneigten, verspiegelten Flächen des Gebäudes zerschneiden das Format auf geradezu kompromisslose Weise in mehrere Dreiecke. Leider können wir nicht überprüfen, ob diese Geometrie auch dem tatsächlichen Gestaltungsprinzip der abgebildeten Architektur entspricht, für eine solche Beurteilung wird uns nicht genug Überblick geboten. Ganz unbestreitbar aber ist, dass der Fotograf hier ein besonders interessantes Detail des Gebäudes entdeckt hat.
Die unterschiedliche Neigung der Ebenen hat zur Folge, dass in den spiegelnden Glasflächen jeweils völlig verschiedene Ausschnitte der Umgebung reflektiert werden. Das macht den besonderen Reiz der Aufnahme hauptsächlich aus, führt aber ganz ursächlich auch zu der vom Bild erzeugten Verunsicherung. Besonders die auf dem Kopf stehende Spiegelung des Straßenverlaufs mit den quasi an der Decke hängenden Taxis widerspricht allen unseren regulären Sehgewohnheiten. Dieser Widerspruch verursacht eine Irritation des Blickes, unser Denken kann das Gesehene lediglich bruchstückhaft mit der Erfahrung in Einklang bringen. Es fällt schwer, richtig Gefallen am Motiv zu finden, so reizvoll und spannungsreich die formale Gestaltung des Bildes mit ihren diagonal verlaufenden Linien und den klar gegliederten Flächen auch ist.
Den kleinen Ungereimtheiten der Bildgestaltung entspricht auch der inhaltliche Aspekt dieser Fotografie. Mit sehr viel gutem Willen könnte ich da einen Hinweis entdecken auf die Gegensätzlichkeit von Natur (Baum) und Menschenwerk (Architektur). Wenn auf der sich spiegelnden Straße etwas mehr Verkehrsdichte erkennbar wäre, könnte man den Begriff Verkehr in diese Gegenüberstellung noch mit einbeziehen. Aber irgendwie ist mir bei dieser Interpretation generell nicht ganz wohl. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Autor hier gar nicht über eine Thema nachgedacht hat sondern sich lediglich vom formalen Eindruck der Architektur hat überwältigen lassen.
Ganz sicher haben wir es hier nicht mit einem schlechten Bild zu tun. Es ist interessant in seiner Bildauffassung und man kann sich mit ihm deutlich auseinandersetzen. Aber irgendwie wirkt es, als wäre es nicht ganz fertig. Und es lässt uns beim Versuch, dem Motiv eine Bildaussage zu entlocken, ein wenig allein.
Mich würde deshalb schon sehr interessieren, was der Autor neben den in seiner Kurzbeschreibung gemachten Ausführungen selbst zu seinem Bild zu sagen hätte.
Vielleicht kann er das in einer Reaktion auf meine Bildbesprechung noch nachholen.